Skinpositivity

Gastbeitrag von Teresa - Psychotherapeutin und selbst seit ihrer Jugend von Akne betroffen

Ein Großteil unserer Kontaktaufnahme und Wirkung auf andere Menschen findet über Blickkontakt und Mimik in unserem Gesicht statt. Doch was ist, wenn in unserem Gesicht weit mehr als die normale zwischenmenschliche nonverbale Kommunikation abzulesen ist, und wir an unreiner Haut leiden?
Viele Betroffene kennen die plötzlich aufschnellenden und verunsichernden Gedanken wie „Meinem Gegenüber fällt bestimmt gerade meine unreine Haut auf“ oder „Was denkt der andere bloß über meine unreine Haut?“. Und meist folgen auf diese Gedanken auch Handlungen, beispielsweise schützend die Hand vor das Gesicht legen, das Gesicht oder den Blickkontakt abzuwenden oder viel Aufwand in das Abdecken und „Verstecken“ der unreinen Haut zu investieren. Da erstaunt es nicht, dass dies Folgen für unser Selbstwert- und Selbstsicherheitsgefühl hat, da unreine Haut ja auch nicht innerhalb weniger Tagen abklingt, sondern es sich meist um längere Phasen handelt.
Aber nicht nur auf der alltäglichen zwischenmenschlichen Ebene kann eine gewisse soziale Unsicherheit entstehen. Für junge Menschen nimmt auch ein immer stärkerer gesellschaftlicher sozialer Druck zu, da wir in sozialen Medien heutzutage mit einer Flut von Bildern extremer Schönheitsideale konfrontiert sind, zu denen auch immer reine Haut zählt.
Wenn man dann noch weiß, dass es heutzutage als vielfach erwiesen gilt, dass sich psychische Faktoren wie Stress, private und berufliche Belastungsfaktoren und Probleme in zwischenmenschlichen Beziehungen ungünstig auf Hauterkrankungen wie u.a. Akne auswirken können, scheint der Teufelskreis perfekt zu sein.
Ist es dann nicht verwunderlich, dass, wann immer es um unreine Haut geht, hauptsächlich Make-Up und Kosmetik im Fokus steht? Würde es nicht vielleicht mehr Sinn machen, an unseren mentalen Strategien zu arbeiten, eine Hauterkrankung wie Akne besser bewältigen zu können, und die negativen Auswirkungen auf unseren Selbstwert und unsere Selbstakzeptanz aktiv zu mindern?


#skinpositivity Tipp Nr. 1: Du bist MEHR als dein Hautproblem!

Viele Betroffene sind manchmal derart verzweifelt, sodass sich regelrechte „Denkfallen“ bilden können, z.B. ein sogenannter negative Aufmerksamkeits-Filter. Das führt dann dazu, dass die Betroffenen sich auf ihr Hautproblem reduzieren und sie ungünstige Denkstile ausbilden, z.B. weniger wert oder liebenswert als andere zu sein.
Hier kann es helfen, sich aktiv bewusst zu machen, welche Fähigkeiten, Stärken, Charaktereigenschaften man an sich mag, oder auch von anderen geschätzt und gemocht werden. Oder frage Dich, was deine Familie oder Freunde als deine besonderen Eigenschaften angeben würden?
Vermeintlich makellose Menschen bekommen natürlich viel positives Feedback zu ihrem Äußeren. Und hier besteht die Gefahr, dass diese Personen irgendwann einen Großteil ihres Selbstwerts aus diesen positiven Rückmeldungen zu ihrem Äußerem beziehen. Diese Menschen haben oft wenig Möglichkeiten, andere Charakterstärken gut auszubilden, die sie aber genauso für ihr Leben brauchen. Wenn diese Menschen z.B. altern und das Feedback ausbleibt, geraten sie nicht selten in heftige emotionale Turbulenzen.


#skinpositivity Tipp Nr. 2: Du beweist jeden Tag Charakterstärke!

Mache dir bewusst, dass du jeden Tag deine „Frau“ oder deinen „Mann“ stehst, unabhängig davon, wie es gerade um deine Haut steht. Du hast in vielen Bereichen vielleicht schon gelernt, darüber hinwegzusehen und stellst dich täglich den vielen Herausforderungen deines Alltags! Und das ist sehr bewundernswert. Immerhin dürfen wir nicht leugnen, dass eine Hautkrankheit auch tatsächlich schmerzhaft ist und sehr aufwändig in der täglichen Pflege sein kann. Und das unterscheidet dich von anderen Menschen, die es in der Hinsicht „einfacher“ haben. Das alles schaffst du bereits jeden Tag zu bewältigen!


#skinpositivity Tipp Nr. 3: Du wirst geschätzt und geliebt!

Natürlich haben wir auch diese Tage, an denen wir sehr an unserer Haut leiden. Genau das sind die Tage, an denen wir guten Freunden absagen und unsere Stimmung richtig absackt. Denke ganz bewusst in diesen Situationen an die vielen einzelnen Menschen in deinem Leben, denen dein Hautproblem total egal ist, die dich schon immer so nehmen und lieben wie du bist! Frage dich, was diese Menschen wohl an dir mögen! Frage dich, wann du das letzte Mal einen Mitmenschen wegen einer vermeintlichen Äußerlichkeit abgewertet oder ausgegrenzt hast? Du kannst dich nicht erinnern? Aha, wieso unterstellst du dann anderen, dass diese das machen?


#skinpositivity Tipp Nr. 4: Sei gütig und fürsorglich mit Dir und deiner Haut!

Der wichtigste Tipp ist vielleicht sogar: Sehe deine Haut nicht als „Problem“, sondern eher als gute Freundin, die viel für dich da ist, aber hier und da natürlich auch deine Fürsorge braucht. Allein schon unsere Sprache hat eine große Auswirkung auf unsere Befindlichkeit, und es macht einen Unterschied, ob ich etwas als „Problem“ bezeichne, oder ihm einen anderen Namen gebe. Lerne, diese gute Freundin fürsorglich und wertschätzend zu behandeln, schenke ihr die Aufmerksamkeit und die Pflegeroutine, die du auch einer guten Freundin schenken würdest. Begrüße dich auch mal mit einem Lächeln im Spiegel! Das fällt dir schwer? Dann hilft dir vielleicht folgender Tipp: Nehme einen kleinen roten Klebepunkt, und klebe ihn an deinen Spiegel, oder an andere Gegenstände, die dir täglich begegnen (Garderobe im Flur, Haustüre). Jedes Mal, wenn du den roten Punkt siehst, ist deine Aufgabe, dir jetzt ein kleines Kompliment zu machen. Anfangs ist es ziemlich schwer, aber du wirst sehen, dass es immer leichter wird, und sich auf deine Stimmung und Befindlichkeit auswirken kann!


#skinpositivity Tipp Nr. 5: Challenge Dich selbst – werde Stück für Stück authentischer!

Das ist vermutlich der schwierigste Part: Handle nicht gegen deine Bedürfnisse und deine Natur! Das kann bedeuten, dass du lernen solltest, zu dir und deinen Hautbedürfnissen zu stehen, z.B. bei Sonnenempfindlichkeit nicht um jeden Preis braun werden zu wollen. Oder wenn Du merkst, dass du auf bestimmte Nahrungsmittel oder Getränke mit Unreinheiten reagierst und darauf verzichten möchtest, dich auch von anderen in deinem Weg nicht beirren lässt. Hier gibt es nicht selten unpassende Kommentare von anderen, aber es kann dir sehr viel Selbstwertgefühl verschaffen, solche Kommentare selbstbewusst zu handeln und sich nicht manipulieren zu lassen.
Ein anderer Punkt hierzu ist: Fordere dich selbst – lege beispielsweise mal einen Make-up freien Tag ein, oder lass den Filter beim Selfie mal weg! Wofür das gut sein soll? Wir verstärken durch unser Handeln die immer gleichen Erfahrungen wie „Ich werde ja nur akzeptiert, weil ich meine unreine Haut verstecke“ das führt einen gewissen Teufelskreis immer weiter fort. Natürlich kann erstmal sehr herausfordernd oder sogar undenkbar für dich sein! Aber du hast dadurch die Chance, wichtige korrigierende Erfahrungen deines Selbstbildes zu machen, und wenn es nur die Erfahrung ist, dass die Menschen dich genauso behandeln wie sonst!